Meine Aufnahme ins Frauenhaus oder der Schritt in die Freiheit – Bericht einer Frauenhausbewohnerin
Wie war das? Ich hatte Angst. Angst, zu Hause zu bleiben, und Angst, zu gehen. Ich nahm den Mut zusammen, in die Frauenberatungsstelle zu gehen. Das war noch nicht der endgültige Schritt weg von zu Zuhause, aber doch ein Schritt nach vorne.
An einem Mittwoch hatte ich diesen Termin, am darauf folgenden Freitag war ich dann weg. Im Frauenhaus.
Frau hat Angst ohne Ende. Was kommt auf Dich zu? Du verlässt Deine Existenz, die Kinder müssen genauso viel aufgeben. Machst Du es richtig? Mit diesen Gedanken, einer Tasche und zwei von drei Kindern an der Hand kam ich im Frauenhaus an. Und natürlich mit vielen Tränen.
„Frau“ kommt dort an, alle gucken Dich blöd an. Denkst Du. Den anderen Bewohnerinnen des Hauses geht fast dasselbe durch den Kopf, wie ich später feststellte. Die gucken nicht „blöd“ ‚ sondern nur interessiert und natürlich auch mit einem Stück Neugierde. Wer ist die Neue? Was hat sie durchgemacht? Kann man ihr helfen? Soll man was sagen, oder möchte die Neue lieber alleine sein? Geht man lieber auf Distanz oder ist es besser, gleich freundschaftlich zu sein?
Alle diese Fragen und noch 100 mehr gehen allen durch den Kopf. Auf alle diese Fragen gibt es Antworten, nachts, wenn die Kinder schlafen und Kaffee und Zigaretten Grundnahrungsmittel geworden sind. Es wird geweint, erzählt und viel gelacht. Über die Männer. Denn egal, welchen Alters, welcher Nationalität oder welchen Standes, sie alle erzählen uns dieselbe Sch….. Das macht Mut. Und die Angst verliert sich ein wenig.
Natürlich gibt es mit der Zeit Meinungsverschiedenheiten unter den Bewohnerinnen. Es wäre schade, wenn nicht, lernen wir dadurch doch endlich unseren Kopf durchzusetzen. Mir jedenfalls ging es so. Die „Bürofrauen“ ‚ wie wir unsere Betreuerinnen liebevoll nannten, stehen allen mit Rat und Tat zur Seite. Und klappt es nicht mit der Betreuerin, kann man das selbstverständlich sagen. Doch für mich und für viele andere sind die Mitbewohnerinnen genauso wichtig – die Gespräche und die Unterstützung helfen sehr.
Die Zeit im Haus gehört heute zu den schönsten meines Lebens. Die Angst, alles zu verlieren, ist selbstverständlich da. Doch die Zeit dort, am Tage und in der Nacht keine Angst mehr zu haben, wiegt vieles auf. Wenn Frau will, kann sie jederzeit wieder nach Hause zurück, und klappt das nicht, dann stehen die Türen des Frauenhauses auch ein zweites oder drittes Mal auf. Frau bleibt solange dort, wie es nötig ist, um klarzukommen. Was die Kinder angeht, so wird es bei ihnen nicht anders sein. War die Angst doch bis dahin auch ihr ständiger Begleiter. Der Mut, den Frau braucht, um alleine weiterzugehen, der kommt von alleine. Dann, wenn Frau begreift, was sie schon geschafft hat.
Die Frau, mit der ich das Beratungsgespräch hatte, sagte damals:
„Zeige mir den Mann, der alles aufgibt. Der zwei Plastiktüten mit dem Nötigsten und die Kinder an die Hand nimmt und dann für immer geht.“
Ich habe ihn bis jetzt noch nicht getroffen und bezweifle, dass es solch starke Männer gibt.